Pfahlbausiedlung in Kehrsiten (Jungsteinzeit, 4. Jt. v. Chr.)

Rekonstruktionszeichnung der Pfahlbausiedlung (Fachstelle für Archäologie, Bild: Joe Rohrer)
Rekonstruktionszeichnung der Pfahlbausiedlung (Fachstelle für Archäologie, Bild: Joe Rohrer)

 

Im Jahr 2003 entdeckten Sporttaucher vor Kehrsiten (Stansstad) zufällig Überreste einer Siedlung. Wie sich herausstellte, handelt es sich dabei um mehrere übereinanderliegende Siedlungen aus der Zeit der Pfahlbauer, sogenannte jungsteinzeitliche Seeufersiedlungen. 2008 fand im Rahmen eines Forschungsprojekts des Schweizerischen Nationalfonds eine Unterwassergrabung statt und seit Juni 2011 ist der Fundort als Teil der Welterbestätte "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" UNESCO-Weltkulturerbe

Die jungsteinzeitlichen Siedlungen waren auf einer Uferplatte errichtet worden, die sich von der heutigen Uferlinie mindestens 60 Meter in den See hinaus erstreckt hatte. Durch den Anstieg des Seespiegels im Laufe der vergangenen Jahrtausende blieben die Siedlungsreste erhalten. Heute liegen die archäologischen Befunde in einer Wassertiefe von fünf bis neun Metern. Allerdings brach seeseitig ein Teil der Uferplatte – und der darauf liegenden Siedlungen – als Folge verschiedener Erdbeben ab und rutschte in den See.

Die archäologischen Untersuchungen in Kehrsiten erlauben Rückschlüsse auf vier Siedlungsphasen und auf einige Lebensgewohnheiten der dortigen Menschen. Aussagen über das Aussehen der Siedlungen sind wegen der relativ kleinen untersuchten Bereiche jedoch kaum zu machen. Die älteste Siedlung datiert auf ca. 4300-4000 v. Chr. – es sind die ältesten heute bekannten Spuren von dauerhaften Siedlungen in Nidwalden. Aufgrund der gefundenen Keramik gehört diese Siedlung der sogenannten Cortaillod-Kultur an, benannt nach einem Fundort bei Cortaillod am Neuenburgersee. Die zweite Siedlungsphase lag zwischen 3480 v. Chr. und 3431 v. Chr. und wird der sogenannten Pfyner Kultur zugerechnet. Diese Siedlung kann mittels der Jahrringuntersuchung von Hölzern (Dendrochronologie) ziemlich genau datiert werden. Die dritte Siedlungsphase ist nur durch vereinzelte Streufunde belegt und datiert um 3400 v.Chr. Genauere Angaben können wegen der sehr geringen Fundmenge allerdings nicht gemacht werden. Die vierte und jüngste Siedlungsphase fällt in die Zeit um 3170 v. Chr. und gehört zur sogenannten Horgener- Kultur.

Die Kehrsiter Siedlungen waren ganzjährig bewohnt. Die Menschen ernährten sich von Landwirtschaft; dazu rodeten sie die angrenzenden Wälder und legten kleine Ackerflächen an, die sie mit Gerste, Weizen, Erbsen, Lein und Schlafmohn bepflanzten. Daneben wurden Nutztiere wie Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen gehalten. Gejagte Tiere, auch Grosswild, Fische und gesammelte Beeren und Nüsse ergänzten den Speiseplan. Material für Werkzeuge stammte zum grössten Teil aus der Region, einzelne Materialien (Feuerstein) wurden aber auch über weite Strecken transportiert, was auf ein weitverzweigtes Handelsnetz schliessen lässt.

Die Siedlungen wurden immer mal wieder überflutet und für einige Zeit unbewohnbar. Es ist zu vermuten, dass sich die Bewohner während solchen Zeiten an anderen Orten am Vierwaldstättersee niederliessen – allerdings sind diese Siedlungen heute nicht bekannt.

Literatur

Hügi, Ursula: Stansstad NW-Kehrsiten. Neolithische Seeufersiedlungen am Alpennordrand, in: Jahrbuch Archäologie Schweiz 89 (2006), S. 7-23.

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