Pfahlbausiedlung in Kehrsiten ist UNESCO-Weltkulturerbe

27. Juni 2011
Die 2003 zufällig entdeckte Pfahlbausiedlung in Kehrsiten war Bestandteil der internationalen Welterbe-Kandidatur "Pfahlbauten in Seen und Mooren um die Alpen". Die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) hat die Kandidatur gutgeheissen und die beteiligten Fundstätten zu einem Weltkulturerbe erklärt: Nidwalden hat eine Stätte von universellem historischem und kulturellem Wert.
Im Juni 2003 entdeckte ein Nidwaldner Sporttaucher im Vierwaldstättersee vor Kehrsiten zufällig auffällige Holzpfähle im Seegrund. Der Fund entpuppte sich schnell als Sensation. Er ist der Überrest einer neusteinzeitlichen Pfahlbausiedlung aus dem 4. Jahrtausend v.Chr. und damit der älteste Hinweis auf Menschen in Nidwalden.

Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde die Pfahlbausiedlung und die Ausgrabung in Kehrsiten durch die Ausstellung "Versunkene Welt: die Pfahlbauer von Kehrsiten", die im Dezember 2009 und Januar 2010 in der Sust in Stansstad stattfand und auf grosses Interesse stiess.


Teilausgrabung der bedeutenden Fundstätte
Bereits im Winter 2008 gruben im Auftrag des Kantons Nidwalden spezialisierte Taucharchäologen der Unterwasserarchäologie Zürich die Fundstätte während zweier Wochen teilweise aus. Wegen der grossen Bedeutung des Fundes wurde die Teilausgrabung durch den Schweizerischen Nationalfonds mitfinanziert. Inzwischen ist die Auswertung der Teilausgrabung abgeschlossen. Die archäologischen Befunde erlauben spannende Einblicke in das Leben der bislang ersten bekannten Menschen in Nidwalden.


Grosse Bedeutung für die internationale Forschung
Die Pfahlbausiedlung in Kehrsiten ist jedoch nicht nur für Nidwalden, sondern auch für die internationale Forschung von grosser Bedeutung. In der Schweiz waren Pfahlbausiedlungen bisher einzig im Mittelland bekannt, nicht aber an Seen der voralpinen oder alpinen Region. Kehrsiten ist bislang die einzige bekannte Fundstätte am Vierwaldstättersee und damit an einer Schlüsselposition zwischen dem Mittelland und den Alpen.

Mit der Auswertung der Daten konnten bisherige Forschungslücken geschlossen werden: Mehrere der gefundenen dendrochronologischen Daten (siehe Box) aus dem 35. Jh. v.Chr. weisen auf die Übergangsphase von der Pfyner zur Horgener Kultur hin, eine Periode, für die bislang kaum Nachweise vorhanden waren. In Kehrsiten liegt somit ausgesprochen interessantes Fundmaterial für die urgeschichtliche Forschung.


Kandidatur als UNESCO-Weltkulturerbe
Die Schweiz hat die Initiative für eine serielle, d.h. aus mehreren Fundstätten bestehende, zwischenstaatliche Kandidatur der prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen ergriffen. Parallel zum Projekt in Kehrsiten bereiteten das Bundesamt für Kultur und der eigens zu diesem Zweck gegründete Verein Palafittes in Zusammenarbeit mit den Nachbarländern eine Kandidatur für das begehrte Label UNESCO-Weltkulturerbe vor. Am 26. Januar 2010 reichten die sechs Alpenländer Frankreich, Deutschland, Schweiz, Italien, Österreich und Slowenien gemeinsam die Kandidatur "Pfahlbauten in Seen und Mooren um die Alpen" ein.

Die Pfahlbausiedlungen des Alpenraums zählen zu den bedeutendsten archäologischen Kulturgütern Europas. Es sind die Resten von prähistorischen Siedlungen aus der Zeit von 5000 bis 500 v.Chr., die sich im gesamten Alpenraum unter Wasser, an See- und Flussufern sowie in Feuchtgebieten befinden. Die Fundstätten bieten aussergewöhnliche Erhaltungsbedingungen für organische Materialien wie Holz, Textilien, pflanzliche Reste oder Knochen, die sich im Schlamm unter Luftabschluss hervorragend erhalten. Aus diesem Grund erlauben sie heute einzigartige Einblicke in die frühen Bauernkulturen Zentraleuropas.
Da die Pfahlbauten ein den Alpenländern gemeinsames Phänomen sind, war die Kandidatur von Anfang an als serielle (aus mehreren Fundstätten bestehende) und zwischenstaatliche Kandidatur geplant. Insgesamt umfasste sie aus den rund 1 000 bekannten Fundstätten diejenigen 111 Fundstätten mit dem grössten wissenschaftlichen Potenzial. In der Schweiz waren 15 Kantone mit insgesamt 56 Fundstätten an der Kandidatur beteiligt. Die Pfahlbausiedlung in Kehrsiten war wegen ihrer grossen Bedeutung von Anfang an fester Bestandteil der Kandidatur und überstand mehrere Auswahlrunden.


Entscheid der UNESCO
Im Mai 2011 empfahl der internationale Rat für Denkmalpflege ICOMOS als vorberatendes Gremium die Kandidatur zur Einschreibung auf die Liste des Welterbes. Gestützt auf diese Empfehlung erklärte das Welterbekomitee der UNESCO an seiner 35. Sitzung vom 19. bis 29. Juni 2011 in Paris die beteiligten Fundstätten zu einem Weltkulturerbe. Damit steht heute in Kehrsiten ein Teil eines UNESCO-Weltkulturerbes, eine Stätte von universellem historischem und kulturellem Wert.


Weitere Schritte
Als nächstes werden der Regierungsrat und der Gemeinderat Stansstad, voraussichtlich noch im Juli, entscheiden, wie es mit dem Weltkulturerbe in Kehrsiten weitergehen soll.

Weitere Informationen
Rekonstruktion der Pfahlbausiedlung im 4. Jahrtausend v.Chr.
Rekonstruktion der Pfahlbausiedlung im 4. Jahrtausend v.Chr.

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